España - Castilla y León
Die allertalentierteste Dreifaltigkeit
Samuel González Casado
Seine Musik ist ansprechend, 'nett' im weitesten Sinne des Begriffs und gewinnt außerordentlich, wenn wir sie gut dargeboten hören; will sagen, wenn das Programm gut gewählt ist und Sarasate angemessen verbunden mit anderen Werken eingesetzt wird, sei es ergänzend oder kontrastierend. Dies ist jedoch nicht der Fall, meine ich, wenn sich das gesamte Konzertprogramm dem Komponisten aus Navarra widmet, wie es bei dieser hier besprochenen "Sarasateada" der Fall war: Obwohl die Stücke bunt, melodisch und bewegt sind, sind sie dies doch die ganze Zeit; die Aufmerksamkeit ermüdet, und schließlich honoriert man nicht mehr angemessen die Fähigkeiten der Interpreten, alle Schwierigkeiten zu bewältigen und den Kompositionen gerecht zu werden. In diesem Sinne gelang das zweite Konzert besser, unterstützt durch den ausgezeichneten behaglicheren Kammerkonzertsaal – obwohl dessen Ästhetik durch diese schrecklichen Halterungen für Scheinwerfer an der Decke der Bühne erheblich eingeschränkt war - die bessere Auswahl der Stücke, einige doppelt, wodurch sie schon vertraut erschienen, und den Umstand, dass das Orchester den Klang der Solisten nicht beeinträchtigte, wie es an einigen Stellen im ersten Konzert der Fall war.
Und was die Interpreten betrifft – diese allertalentierstete Dreifaltigkeit aus der Überschrift – so muss ich zugestehen, dass man selten die Lust des Schaffens und der Vermittlung von Musik mehr genießen kann, sowohl auf der Bühne wie im Parkett. Wenn wir diese drei großen Musiker in der Triade nach ihren Rollen charakterisieren wollten, so würde ich sagen: Gil Shaham ist – natürlich – der Vater, Roberto González-Monjas der Sohn und Adele Anthony der Heilige Geist, ein graziler Geist, beflügelt, sowohl in ihrem Aussehen als auch in ihrem Stil . Die tasmanische Violinistin, die ganz anders als ihr Mann, Gil Shaham, spielt, bringt klar zum Ausdruck, wie sich Geschick in Kunst verwandeln kann. Faszinierend, wie sie die höchsten Töne angeht, ihre Ton-Sicherheit vor allem in diesem Bereich und ihre Zartheit, die sie vermittelt in Stücken wie Der Gesang der Nachtigall, sicherlich ihre beste Leistung in diesen Konzerten (noch perfekter in der Fassung mit Orchester). In Muñeira und Airs Écossais mangelte es ihr allerdings ein wenig an Grazie und Kolorit, wenn auch klares Beherrschen des Instruments und überraschende Technik ohne Zweifel waren. Hervorragend Introduktion und Tarantella, wo melodische Weiche und wilder Tanzcharakter des zweiten Teils in angemessenem Kontrast standen.
Was Roberto González-Monjas angeht – ein Interview mit ihm ist in Mundoclasico.com zu lesen – so haben wir es mit einem Sonderfall zu tun. Wir müssen an erster Stelle sehen, was es für einen zwanzigjährigen Musiker wie ihn bedeutet, bei einem solchen Konzert aufzutreten. Er hat gerade mit überragendem Glanz die Musikhochschule beendet und absolviert nun am Mozarteum in Salzburg ein Master-Studium. Wie aus den biografischen Daten des Programmhefts zu ersehen ist, pflegt dieser Künstler regen Kontakt mit Größen wie John Corigliano, Nicolaj Znaider, Franz Welser-Möst, Herbert Blomstedt, Colin Davis – Dirigenten, mit denen er im Jugendorchester Gustav Mahler gearbeitet hat – Leonidas Kavakos und Lehrern wie Sergej Fatkouline und Igor Ozim. All dies einschließlich einer langen Liste von Konzerten und Verpflichtungen verschiedenster Art stellen die musikalische Wissbegier von González-Monjas unter Beweis und zeigen sein Interesse an einer Gesamtvision der Musik. Seine Violine spricht stets von der Warte einer aus Erfahrungen geschöpften Klugheit zu uns, und so enttäuscht sie uns nicht mit dem Konzept ihres Spiels: Niemals werden wir konfrontiert mit einer exzentrischen Phrasierung, unangemessenen Tempi, monotonen Momenten oder einem Spiel, das nicht Interesse, Enthusiasmus, Studium und Kenntnis unter Beweis stellen würde.
Alle Umstände, die ein solches Konzert impliziert, haben ihre Bedeutung, aber vor allem zwei Dinge möchte ich hervorheben: die Gelegenheit, die es ist, an der Seite eines Phänomens wie Gil Shaham zu spielen, und den Mut, den man dafür haben muss. Ersteres ist natürlich nicht nur etwas Besonderes im Lebenslauf, sondern vor allem die Möglichkeit, direkt aus der Quelle einer derartig faszinierenden Persönlichkeit zu trinken. Zweiteres zeigt den Mut eines Zwanzigjährigen, direkt nach Shahams Darbietung der Carmen-Fantasie zu spielen – man muss schon eine wahre Kapazität auf der Bühne sein, um diese Selbstsicherheit zu demonstrieren - und den Verdienst, den es bedeutet, dem Konzert trotzdem nicht den Glanz zu nehmen, vor allem, wenn man bedenkt, dass sein Instrument, von guter Qualität, nicht zu vergleichen ist mit der hybriden 'Stra' von Anthony und vor allem der Comtess de Polignac von Shaham. Es wäre sicher reizvoll gewesen, wenn auch die Violinen wie die Auftritte sich abgewechselt hätten.
Außer wenigen Unsauberkeiten in den bewegteren Teilen und einem gewissen Mangel an Abrundung in der extrem hohen Lage sind die Versionen von González-Monjas 'total' und 'fördern Erdöl zutage', vor allem in den lyrischen und gesanglichen Momenten, die naturgemäß besonders effektvoll sind. Schon bei seinem ersten Auftritt mit der Neuen Faust-Fantasie stellte er klar, wenn sie auch nicht ganz perfekt war, wozu er in der Lage war (schade nur, dass das Orchester hin und wieder rau klang, vor allem die sehr lauten Holzbläser). Von den beiden Jotas, die er vortrug, gelang ihm vor allem die Jota von Pablo, und die zweite (mit Klavier) –Jota von Aragonien - war sicherlich sein bestes Stück dank des rhythmischen Enthusiasmus, der unglaublichen sowohl vertrauten wie überraschenden Nuancen, die er vermitteln konnte und mit denen er sie schmückte, wie auch die technische Perfektion. Der Spanische Tanz Nr. 7, Vito klang nicht ganz engelsrein (der Schwierigkeitsgrad schien mir ungeheuerlich), aber die Peteneras, persönliche Krönung, waren das fantastische Glanzlicht einer Geschichte, die tatsächlich gerade erst begonnen hat.
Wenn ich Shaham sehe und höre, habe ich das Gefühl, eine Art Heiligen vor mir zu haben: Sein freudestrahlendes Lächeln, seine aktive, aber verständnisvolle Haltung, weit entfernt von jeder Art von Hochmut einer Diva, findet wunderbare Ergänzung in seinem unglaublichen, kräftigen, aber wendigen Klang und einer Phrasierung, die der reinste je gehörte Ausdruck von Talent ist. Shahams Fähigkeit, alles, was er anrührt, in etwas Persönliches und Ureigenes zu verwandeln, ohne Allüren und in absoluter Bescheidenheit, das ist ohnegleichen, es sei denn in dem Index all jener mythischen Violinisten, zu dem auch er ohne Zweifel bereits gehört: Er hat die Aura, die Beherrschung, die Einzigartigkeit all jener großen Meister, die zum Vermächtnis geworden sind.
Es ist zweifellos schwer, die erinnerungswürdigen Auftritte des US-Amerikaners in den beiden Konzerten zu schildern. Ich erinnere mich lebhaft an die Carmen-Fantasie (mit einer winzigen Unsauberkeit), an die einfach unglaubliche Zauberflöten-Fantasie, an einen Zortzico Adieu, meine Berge und ein Caprice Basque, die zu absolut großen und bewegenden Stücken wurden (dem Amerikaner fehlte nur noch die Baskenmütze), und die unübertrefflichen Zigeunerweisen, persönliche Handschrift, mit einem Pianissimo in einer Kadenz, das ich noch immer nicht ganz einverleibt habe. Dem Stepptanz fehlte etwas Abrundung in der Technik, war aber stilistisch ausgereift. Und nicht zu vergessen die vier Ausführngen von Navarra (an zwei Tagen), zuerst von Shaham mit Adele Anthony und dann mit Adele und Roberto (neben den korrekten Alejandro Posada und Akira Eguchi). Dieses Werk hat das Publikum sicherlich bereits zu einem Teil seines Lebens gemacht, und es ist zum Ausdrucksmittel der Freude und des Enthusiasmus der drei perfekt vereinten Musiker geworden.
Um diesen kleinen Kommentar zu Gil Shaham – und die ganze Besprechung, die schon überlang zu werden droht - zu beenden, hier eine kleine Überlegung: Es ist eine authentische Erfahrung, wenn Shaham z.B. eine Phrase auf seine schillernde Art beginnt, den Klang zurücknimmt, rubatiert und uns so in Atem hält, voll Vertrauen... und plötzlich lässt er eine unglaubliche Lautstärke auf Doppelsaiten los, ohne die Miene zu verziehen, in vollem Bewusstsein, dass er uns einen Schock versetzt, dass er uns im Innersten aufwühlt, und dass wir gar nicht reagieren können. Es ist in gewisser Weise sadistisch, diese Kontrolle über die Gefühle, vor allem wegen der Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit: es ist nicht nur Trick. Wenn Technik und Berechnung sichtbar werden, bleibt der Trost der Lust an der Schönheit der Stücke, die der Grund unseres Konzertbesuchs sind; wenn die Interpretationen aber zum Ausdruck der Person selbst werden, ist es fast traurig, dass man nur in gemeinsamer Einsamkeit aufnehmen kann, was der Künstler uns in solcher Intensität und geradezu intimer Nähe sagen will. Hier gewinnt die Musik ihre vollkommenste Bedeutung, öffnet sich jedoch anderen Dimensionen, die ewig unvollständig bleiben werden und die zu tun haben mit der Sehnsucht nach der Kenntnis des menschlichen Wertes dieser wenigen Genies, die in der Lage sind, zu sein, ohne zu spielen.
Sei es wie es sei, es bleibt uns keine andere Möglichkeit als uns zu begnügen mit dieser Fülle von rhythmisch und melodisch geordneten Tönen. Wer wird es nach diesen zwei Konzerten wagen, sich zu beklagen
Übersetzung: Maria Theil Zumwalde
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